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Unterstützung in der Corona-Krise: Automobilhersteller bauen Atemgeräte

Die Hersteller medizinischer Geräte kommen in der Corona-Krise mit der Produktion von dringend benötigten Beatmungsgeräten und weiterer medizinischer Ausstattung kaum nach. Die ausgebremste Autoindustrie soll nun Abhilfe schaffen. In den Vereinigten Staaten wird hierfür ein Gesetz aus Zeiten des Krieges Anwendung finden.

Aufgrund der sprunghaft angestiegenen Zahl an Covid-19 infizierter Menschen und zur Rettung von Menschenleben suchen Regierungen zunehmend Unternehmen, die dringend benötige medizinische Geräte produzieren können. In den Krankenhäusern werden vor allem mehr Beatmungsmaschinen für schwer erkrankte Patienten benötigt. Die Hersteller dieser hoch entwickelten Geräte haben ihre Kapazitätsgrenzen längst überschritten. Ein Grund dafür, warum mit Hochdruck andere Bezugsquellen gesucht werden. In den USA soll durch die Anwendung eines Gesetzes aus dem Krieg dem Präsidenten erlaubt sein, hierfür die Industrie heranzuziehen.

Die Behörden setzen nun auf Konzerne, die aufgrund der Krise nicht produzieren und darauf, dass diese Firmen ihr Know-how bezüglich 3D-Druck und Design zur Verfügung stellen und ihre Lieferketten öffnen, um die Kosten hierfür einzugrenzen. In Italien ist die Not besonders dramatisch. Das südeuropäische Land gilt als Epizentrum der Pandemie, auch weil dort bereits mehr Menschen als in China der Lungenkrankheit zum Opfer gefallen sind.

„Wir sprechen mit Fiat Chrysler, Ferrari und (dem Zulieferer) Marelli, um herauszufinden, wie sie uns helfen können", berichtet der Chef des italienischen Herstellers von Beatmungs- und Wiederbelebungsgeräten Siare Engineering, Gianluca Preziosa. Insidern zufolge sei Ferrari dazu bereit, diese Geräte in der Fabrik in Maranello zu produzieren. Bisher sei aber noch keine Entscheidung gefallen.

Ein Sprecher von Exor, Muttergesellschaft von Fiat Chrysler und Ferrari, sagte, dass bereits Treffen zwecks Prüfung der Machbarkeit stattgefunden hätten. Zwei Optionen seien denkbar: Unterstützung von Siare mittlels Aufstockung der Kapazitäten durch Ingenieure von Ferrari und Fiat Chrysler oder aber die Auslagerung der Produktion von Bauteilen für Beatmungsmaschinen (ebenfalls an beide Autobauer).

„Präzisionsfräsen und die 3D-Drucktechnik könnten bei der Herstellung komplexer Teile helfen", sagte der Programm- und Plattformleiter beim Autodesigner Pininfarina, René-Christopher Wollmann. Das sei allerdings davon abhängig, wie groß die Bereitschaft der Medizintechnikhersteller sei, ihr Wissen über das Design eines Gerätes zu teilen. Eine weitere Herausforderung sei die Montage derartiger Maschinen unter für die medizinische Industrie angemessenen Bedingungen.

Kampf gegen das Virus

In den Vereinigten Staaten von Amerika hat sich mittlerweile das Weiße Haus eingeschaltet. Mit General Motors und Ford werden Gespräche geführt, was die Autobauer dazu beitragen können, um eine Produktionsausweitung von Beatmungsmaschinen zu ermöglichen. Erfahrung haben die beiden Detroiter Autohersteller bereits im Zweiten Weltkrieg gemacht, als der Autobau eingestellt und stattdessen auf den Bau von Flugzeugen, Panzern sowie andere Waffen in den Fabriken von Chrysler, GM und Ford umgestellt wurden.

Der amerikanische Präsident Donald Trump hat verlauten lassen, dass er sich auf ein Gesetz aus den Fünfziger Jahren zu Zeiten des Korea-Kriegs berufen werde. Dieses Gesetz erlaube ihm - gewissermaßen unter Kriegsbedingungen - Industrieressourcen zu Zwecken der Produktionsausweitung von Beatmungsgeräten, Atemschutzgeräten und anderer Ausrüstung.

Auch Jim Hackett, Chef von Ford, hat bereits seinen Mitarbeitern mitgeteilt, dass der Konzern zum Bau von Beatmungsgeräten bereit sei. Und GM-Chef Mary Barra sprach zum gleichen Thema bereits mit Larry Kudlow, Wirtschaftsberater Donald Trumps. Diese Geste wurde von Barra laut einem Berater des Weißen Hauses als „patriotischer Akt“ der Unterstützung gewertet. Der amerikanische Elektroautobauer Tesla hat ebenfalls Bereitschaft zur Umrüstung signalisiert: „Wir stellen Beatmungsgeräte her, wenn es einen Mangel gibt“, meldete Tesla-Chef Elon Musk per Tweet.

Auch das Vereinigte Königreich bündelt zwecks Herstellung medizintechnischer Geräte seine Kräfte. Innerhalb von ein paar Tagen, so Gesundheitsminister Matt Hancock gegenüber BBC, habe über ein halbes Dutzend Unternehmen einen Prototyp konstruiert, der nun einer Qualitätsprüfung unterzogen werde. Hancocks Appell an diese Unternehmen lautet: „Wir brauchen so viele, wie Sie nur herstellen können."

In der Volksrepublik China ist übrigens die Idee geboren worden, Autobauer für die Produktion und Lieferung medizintechnischer Geräte heranzuziehen. Der Elektroautobauer BYD stellt seit kurzer Zeit fünf Millionen Gesichtsmasken und 300.000 Flaschen Desinfektionsmittel her - und das täglich!

Hohe Qualitätsstandards für Medizintechnik müssen erfüllt werden

Mit Überlegungen, wie das höchst strapazierte Gesundheitssystem hierzulande unterstützt werden kann, beschäftigen sich auch deutsche Autobauer. „Wir sammeln Ideen, was man machen kann, bis hin zu humanitärer Hilfe", so Oliver Blume, Chef von Porsche. „Wir sehen uns in einer gesellschaftlichen Pflicht." BMW zeigte sich ebenfalls dazu bereit, technische Hilfe zu leisten. „Wenn wir entsprechende Anfragen bekommen würden, wären wir selbstverständlich bereit, hier zu unterstützen." Hier wäre auch die Produktion von Komponententeilen für medizintechnisches Gerät vorstellbar. Zur Herstellung von Bauteilen will VW durch die Bereitstellung von 3D-Drucker ebenfalls einen wichtigen Beitrag leisten. „Wir sind im Austausch mit Regierungen, Verbänden, Vereinen und Behörden, um den konkreten Bedarf zu ermitteln." Der Druck von Prototypen sei bereits durchgeführt worden. „Medizinisches Equipment ist natürlich neu für uns - aber sobald wir die Anforderungen kennen und die entsprechende Blaupause erhalten, können wir starten." Daimler hat sich nicht geäußert.

In Deutschland müssen für die Herstellung von Medizintechnik hohe Standards eingehalten und strikte regulatorische Vorgaben erfüllt werden. „Es handelt sich bei den meisten Materialien um speziell entwickeltes Design und keine Standardbauteile", erläutert das Lübecker Medizintechnikunternehmen Drägerwerk, einer der führenden Hersteller von Beatmungsmaschinen. Außerdem müsse beachtet werden, dass sich Software und Elektronik aktueller Beatmungsgeräte, die die Pneumatik steuern, vom Betrieb eines Automobilherstellers unterscheide, so ein Sprecher. Quelle: ntv.de, ddi/rts

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