Verkehrsregeln wie „rechts vor links“ gelten beim Abbiegen auch dann, wenn sich andere Verkehrsteilnehmer die Vorschriften missachten. Ein Gerichtsurteil gab in einem aktuellen Fall beiden Beteiligten die Schuld am Unfall.
Es ist geltende Vorschrift, dass Autofahrer beim Linksabbiegen auf den von rechts kommenden Verkehr zu achten haben. Das bezieht sich auch auf überholende Fahrzeuge, und zwar auch im Falle eines verkehrswidrigen Überholmanövers.
So ist das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) in München ausgefallen, auf das der ADAC nun hinweist (Az.: 10 U 2655/18). Der Unfall ereignete sich wie folgt: Da zahlreiche Autos rechts abbiegen wollten, hatte sich vor einer Kreuzung ein Stau gebildet. Eine Autofahrerin, die an der Kreuzung links abbiegen wollte, überholte die Kolonne der wartenden Fahrzeuge trotz durchgezogener Linie und schraffierter Fläche auf der Fahrbahn, um auf ihre Abbiegespur zur Kreuzung zu gelangen. Dabei stieß sie mit dem Fahrzeug einer anderen Autofahrerin zusammen, die, aus einer Nebenstraße kommend, auf die Hauptstraße nach links abbiegen wollte.
Die Autofahrerinnen forderten nun Schadenersatz von ihrer Unfallgegnerin. Die Fahrerin, die von der Nebenstraße abbiegen wollte, war der Ansicht, dass sie nicht mit Autos rechnen müsse, die auf der Gegenfahrbahn unerlaubt überholen. Die Fahrerin, die widerrechtlich die Kolonne überholt hatte, bestand auf ihrem Vorfahrtrecht - der Streit landete vor Gericht.
Beide Autofahrerinnen trifft Teilschuld
Das OLG entschied wie folgt: Den entstandenen Schaden müssen beide Fahrerinnen je zur Hälfte zahlen. Zum einen bestätigte das Gericht, dass sich das Vorfahrtrecht über die komplette Fahrbahnbreite erstreckt. Es entfällt nicht automatisch, wenn jemand verkehrswidrig überholt. Zudem wurde festgestellt, dass die aus der Nebenstraße kommende Fahrerin das überholende Fahrzeug vor dem Zusammenstoß hätte sehen können. Und deshalb habe sie der anderen Frau die Vorfahrt genommen.
Zum anderen habe die Frau auf der Hauptstraße mit hoher Geschwindigkeit (50 km/h) überholt und dabei die durchgezogene Linie missachtet. Deren Unfallgegnerin war hingegen mit angemessen langsamem Tempo auf die Hauptstraße gefahren. Deshalb müssten beide Fahrerinnen jeweils zu 50 Prozent für den Schaden aufkommen.
Quelle: www.augsburger-allgemeine.de